Laudatio translucens - wien/Curhaus

 

Liebe Festgäste, besonders liebe Lydia Wassner-Hauser sowie die Familie und die Freunde, die mit Ihnen gekommen sind!

Mein Metier ist die Pädagogik, genauer die Religionspädagogik, insofern fragen Sie sich jetzt, was soll das für eine Laudatio werden?

Als ehemalige Lateinlehrerin kann ich jedenfalls, wie die meisten von Ihnen, mit dem Titel der Ausstellung „Translucens“, durchscheinend, durchlässig, durchleuchtend“ etwas anfangen.

Und: Lieber Toni, erlaube mir, es auszusprechen, noch bevor du Lydia entdeckt hast, haben wir im Schulamt schon Werke von ihr gehabt.

Schauen wir miteinander auf das Wort Pädagoge, Pädagogin. In der griechischen Antike waren das Menschen, die jemanden, meist ein Kind, begleitet haben; die ihm Fragen gestellt und mit ihm Antworten gesucht haben, die eine bestimmte Technik, skills würde man heute sagen, erworben haben, um dem jungen Menschen die Welt zu erschließen. Oder zumindest ein Stück davon.

 

Für mich ist Lydia Wassner-Hauser, obwohl eine freischaffende Künstlerin, eine Pädagogin im allerbesten Sinn, eine Vermittlerin, die uns mit unseren Fragen begleitet und uns durch ihre Kunst die Welt erschließt.

Über ihren eigenen Bildungsweg schreibt sie: Ich ging ins Stiftsgymnasium Schlierbach und wir waren umgeben von Kunst, viele Künstler gingen bei uns aus und ein. Als Lehrerin nehme ich mit: Talente und Begabungen sind in jedem Menschen grundgelegt, sie müssen aber auch gefördert und entwickelt werden. Lydia hat in ihrer Schule mit ihren künstlerischen Talenten ein Umfeld gefunden, das ihren Begabungen Raum zur Entfaltung und zum Wachsen gegeben hat.

Nun ist sie selbst als Künstlerin immer wieder in ihre Schule zurückgekehrt, in die Glaswerkstatt des Stiftes. Ihre Glaskunst hat sakralen Charakter, lädt einmal zur Auseinandersetzung ein, zum Aneignen, zum Nachstellen.

 

Gibt ein ander Mal im öffentlichen Raum sensibel, tröstend und voll Ehrfurcht vor dem Leben der Trauer um die Sternenkinder Ausdruck. Für dieses Projekt in Eberstalzell wurde Lydia auch 2019 mit dem österreichischen Glastechnik Award in Kunst und Design ausgezeichnet. Ich denke, wir können das im Verlauf der Ausstellung über eine Video Installation auch mitverfolgen.

Ab 2019 und dann in den Wochen und Monaten der Pandemie kommt Lydia zu den Wasserbildern, die für mich eine ganz starke spirituelle Prägung haben. Sie strahlen Ruhe, Einfachheit aus, sind kontemplative, atmosphärische Arbeiten, immer wieder inspiriert durch den Attersee.

Wasser als Lebensquelle, als Grundelement; das Unendliche, Grenzenlose, das Reinigen, Stärken, Neumachen, Ineinander Fließen, damit spannt Lydia den Bogen zur christlichen Symbolik und auch wieder zur Religionspädagogik. Möglicherweise führen sie die dramatischen Ereignisse der letzten Woche in Ostösterreich noch zu weiteren Dimensionen des Wassers, die die andere geballte Energie, bedrohliche, gewaltsame Seite einschließen.

Mit den atmosphärisch dichten Wasser Bildern zeigt Lydia eine neue Formensprache, sie spürt dem Element nach, lässt es durch sich selbst durchströmen, es geht ihr um die Essenz. Das Motiv verschwindet mehr und mehr, zieht sich zurück, reduziert sich, sichtbar wird das Innenbild, die Wesenheit des Motivs.

Das ermöglicht dem Betrachter, der Betrachterin ein Eintauchen ins Bild, ein von ihm Durchströmt Werden.

Damit stehen wir am Übergang zu den Translucens Werken, mit denen sie sich, wie sie sagt, im Arbeiten selbst durchlässig macht. Ihnen ist die Ausstellung primär gewidmet.

Trans – hinüber, es gibt ein Diesseits und ein Jenseits, das Bild ist die Verbindung der beiden Sphären und im Betrachten werden wir hineingenommen in das Fließen des Lichts.

Ich bin wieder bei der Religionspädagogik gelandet und das passt auch in dieses Haus, das seit Jahrhunderten der Bildung und der Pädagogik ein Zuhause ist.

Bildung heißt auch, den Blick nicht auf die Grenzen richten, sondern die eine Seite cis mit der anderen trans in Einklang zu bringen; Pädagogik und Kunst wollen anleiten hinüberschauen, eine Ahnung bekommen, von dem, jenseits – trans, des vordergründig Daseienden und Wahrnehmbaren ist, will das große Ganze ergründen.

Liebe Gäste, es sind Exponate, für die wir uns Zeit nehmen müssen, um sie zu erahnen. Je weiter Sie vom Bild zurücktreten, umso mehr werden Sie wahrnehmen und erspüren. Umso lebendiger wird Ihr persönlicher Dialog mit dem Kunstwerk!

Haben Sie einen inspirierenden, anregenden Abend!