Leben mit einer Malerin


Seit mittlerweile 23 Jahren darf ich die Entwicklung der Malerin Lydia Wassner- Hauser beobachten, ja sogar miterleben. Ich kenne Lydia seit der 1. Klasse Gymnasium, wo ich Folgendes beobachten konnte. Egal wo wir waren und was wir taten, sie hatte immer Bleistift und Papier mit dabei. Im Gymnasium war es „nur“ eine Begabung, die teilweise auch von den Professoren gefördert wurde, doch damals dachte noch keiner daran, dass das ihr Beruf werden würde.

 

Ihr Leben war und ist geprägt Erlebtes, Gesehenes oder Gefühltes künstlerischen Ausdruck zu verleihen. Egal ob anfangs mit Musik, Literatur oder mit der Malerei.

Als sie beschloss die Schule abzubrechen und das Studium für Malerei und Graphik an der Kunstuniversität für künstlerische und industrielle Gestaltung in Linz zu beginnen, war das keine Idee einer jungen 18- jährigen Frau, nein es war ihre Berufung.

Für mich war es sehr beeindruckend, mit welcher Vehemenz und Energie sie an dieses „Projekt“ heranging.

Bei der ersten Aufnahmeprüfung wurde sie abgelehnt, jedoch bot man ihr die Möglichkeit als außerordentliche Hörerin am Studium teilzunehmen.

Jetzt hatte sie ein Jahr Zeit sich zu beweisen. Was sie auch tat, sie arbeitete völlig unbekümmert und kompromisslos.

 

Für mich gab es in diesem Jahr keinen einzigen Gedanken daran, dass sie nicht aufgenommen wird. Lydia arbeitete sehr fokussiert, hatte jedoch ständig die Ungewissheit im Hintergrund, denn sie hatte eindeutig gefunden, wonach sie gesucht hatte, wusste nun aber nicht, ob sie auch die Chance bekommen würde, es zu studieren.

 

Für uns eröffnete sich eine völlig neue Welt, sehr interessante Personen traten zu dieser Zeit in unser Leben und begleiten uns bis heute.

Dieses Jahr verging sehr schnell und ich hatte Recht behalten - Lydia wurde aufgenommen.

In den vier Jahren des Studiums durfte sie viele neue Techniken kennen lernen, wie z.B: Aqua-Tinta, Ei-Tempera, Lithographie,...

Viel entscheidender war jedoch „ Die Schule des Sehens“.

Von Beginn an fiel sie durch ihr Gespür für die Farbe – und auch den Drang sie einzusetzen auf. Im ersten Semester, so habe ich es in Erinnerung, galt es das Sehen zu schärfen und vorwiegend mit dem Bleistift zu arbeiten.

Lydia kam sofort mit einem Bild; sie brauchte die Farbe!

Das Studium zeichnete sich vor allem dadurch aus, dass sich jeder verpflichtet fühlte, bestmöglich sein Wissen, seinen Zugang, sein Gefühl für die Malerei - die Kunst zu vermitteln.

 

Im Laufe vieler Exkursionen ins Ausland lernte sie viele Werke bekannter Maler kennen und lieben. Tagelange Museumsaufenthalte prägten ihr Schaffen.

 

Lydia malt und zeichnet Landschaften, Pflanzen, Bäume, Akte,...

 

Nie steht das Thema im Vordergrund, es geht ihr darum, das Gesehene in Farbe und Fläche aufzulösen und auf der Leinwand harmonisch darzustellen.

Das zeichnet ihre Arbeit aus; besonders in einer Zeit, in der Kunst meistens einer Erklärung bedarf um sie zu verstehen.

 

Beim Zusammenstellen dieses Buches wurde mir bewusst, welche Entwicklung die Arbeit von Lydia gemacht hat. Wenn man die Farbigkeit und die Klarheit der Bilder betrachtet, wird einem plötzlich klar, dass Malerei keine Entspannung ist, wie so oft geglaubt, sondern eine schwere geistige Herausforderung.

 

Ich bin immer wieder fasziniert, wie die Malerei Lydia in ihren Bann zieht, wie vertieft sie arbeitet, welchen Eigenantrieb sie hat.

Ihre Situation ist nicht immer ganz einfach – fest am Boden zu stehen, als dreifache Mutter - und gleichzeitig ganz in der Kunst  sich fallen zu lassen, Anerkennung zu bekommen.

 

Immer wieder zweifelt sie, welchen Platz ihre Malerei in der heutigen Welt einnimmt.

 

Doch für mich, wo ich das Schaffen von Lydia unmittelbar miterleben darf, ist jedes Werk, das sie macht, das Eintauchen in eine Welt, die Ruhe, Kraft und Energie schenkt, die Entdeckung der Langsamkeit.

Ihre Arbeit macht die Welt lebenswerter.

In einer Zeit, in der nur Profit zählt, die Medienerstattung nicht grausam genug sein kann – muss da Kunst noch aufregen?

Lydia´s Kunst bildet in dieser Zeit den perfekten Gegenpol – das was Kunst immer schon getan hat.

Ich genieße jeden Tag, an dem ich einen weiteren Schritt Kunstgeschichte miterleben und mich mit ihren Werken umgeben darf.

 

                                                                       

                                                                                                Johannes Wassner